Warum es ungünstig ist vor der Hauptversammlung Dividendenzahler zu kaufen

Immer wieder treffe ich in Communities auf folgende Frage „Wenn ich Aktie XY noch vor der Hauptversammlung / Earnings kaufe, bekomme ich dann noch die Dividende?“ oder eine Aussage wie die diese „ich kaufe Aktien vor der Hauptversammlung (HV) und freue mich dann über die Dividende“. Nachdem du diesen Beitrag gelesen hast, wirst du wissen warum dies gerade bei jährlichen Dividendenzahlern äußerst ungeschickt, bzw. teuer und darüber hinaus noch höchst riskant ist.

Schauen wir uns zuerst die steuerliche Betrachtung an, wenn du einen Dividendenzahler vor einer Hauptversammlung kaufst.

Angenommen du hast 10.000€ zur Verfügung und kaufst davon 100 Aktien eines Dividendenzahlers zu einem Kurs von 100€. Der Dividendenzahler zahlt am HV-Tag 5% Dividende. Du bekommst demnach 500€ Dividende. Auf diese 500€ musst du jedoch sofort Steuern zahlen. In Deutschland fallen auf Dividenden 25% Abgeltungssteuer sowie Solidaritätszuschlag und potentiell Kirchensteuer an. Rechnen wir der einfachheitshalber mit den 25%. Du zahlst also 125€ Steuern und dein inländischer Broker führt die Steuer sofort an den Staat ab (Freibetrag jetzt mal außen vor gelassen). Durch die Auszahlung der Dividende reduziert sich am Ex-Dividendentag der Wert der Aktie um die gezahlte Dividende. Am Ende des Tages hast du 375€ auf deinem Konto und 9.500€ Kurswert. Mit den 375€ könntest du dir 3 Anteile für 95€ pro Stück kaufen und hättest somit 103 Anteile im nächsten Jahr. Insgesamt bedeutet die gezahlte Steuer jedoch, dass dein investiertes Kapital und damit dein Vermögen auf 9.875€ gesunken ist und du damit eine Rendite von -1,25% erwirtschaftet hast.

Wenn du in eine Aktie investierst, möchtest du ja erreichen, dass dein Geld für dich arbeitet. Dieses Ziel erreichst du jedoch nicht, du machst sogar sofort einen Verlust, denn die Steuern reduzieren dein angelegtes Kapital. Das was du durch die Dividende ausgezahlt bekommst, musst du sofort wieder investieren, wenn du möchtest, dass das Geld wieder für dich arbeitet. Diese Reinvestition kostet dich zusätzlich erneut Handelsgebühren. Damit fährst du noch einen zweiten Verlust ein. Du verlierst also gleich doppelt.

Schauen wir uns nun die Rechnung an, wenn du nach der Hauptversammlung investierst. Der Kurs liegt bei 95€. Für deine 10.000€ kannst du dir nun 105 Anteile kaufen. Für die Anteile musst du 9.975€ zahlen. Die restlichen 25€ verbleiben erstmal auf deinem Konto. Bei jährlichen Dividendenzahlern hat das Unternehmen jetzt 1 Jahr Zeit um die nächste Dividende zu erwirtschaften bevor du dann das erste mal Steuern zahlst.

Die Vorteile im Vergleich zum Kauf vor der Hauptversammlung liegen auf der Hand. Du musst keine Steuern auf dein Kapital direkt nach dem Investment zahlen. Dieses Steuergeld kann ein ganzes Jahr für dich arbeiten. Außerdem musst du im ersten Jahr nicht erneut investieren. Zusätzlich hältst du in deinem ersten Steuerjahr mehr Anteile und bekommst sogar noch mehr Dividende.

Kommen wir noch zu dem Punkt Risiko. Hauptversammlungen und Earnings sind sogenannte binäre Ereignisse. Die Kursschwankungen können gewaltig sein. Es kann aber auch zu keinerlei Kursschwankung kommen. Das weiß man aber vorher nicht. Ich handle sehr viel mit Optionen im kurzfristigen Trading und die Optionsprämien sind vor Hauptversammlungen üblicherweise am größten, da Optionskäufer bereit sind, mehr für ihre Versicherungen auf steigende und fallende Kurse zu zahlen. Hält man das Underlying am Tag der HV/Earnings, trägt man das größte Kursrisiko. Das Underlying über diese Ereignisse zu halten macht in einem langfristigen Depot meist nicht viel aus, sofern man breiter diversifiziert ist. Im kurzfristigen Trading muss man gerade bei Earnings aber höllisch aufpassen und auch eine Strategie haben um solche Earning-Trades zu überstehen.

In einem langfristigen Depot sollte man daher zur Risikovermeidung Einstiege vor Earnings meiden und lieber hinterher, nachdem der Markt den neuen fairen Preis festgelegt hat, einsteigen. Ein Einstieg nach den Earnings gibt zusätzlich auch manchmal die Möglichkeit ein Schnäppchen zu machen, bzw. einen günstigen Einstieg zu finden.

Oftmals kommt in den Communities dann noch der Einwand, dass man noch Freibetrag offen hat und dass man trotz der oben aufgeführten Argumenten vor der HV noch einsteigen möchte. Hier gibt es jedoch auch ein Gegenargument meinerseits. Denn man verschenkt den Freibetrag unnötigerweise. Alleine beim obigen Beispiel, sind von den 801€ Freibetrag schon 500€ ausgeschöpft. Es macht daher mehr Sinn, sollte man durch andere Dividenden den Sparerfreibetrag Ende Dezember noch nicht ausgeschöpft haben, einen Kursgewinn in Höhe des noch freien Sparerfreibetrag zu realisieren. Schreibt euch daher auf, wieviel Dividende und Kursgewinn ihr bereits realisiert habt und nutzt diesen sinnvoll und verbraucht ihn nicht für unnötige Steuerzahlungen.

Halten wir als Fazit fest: Die Entscheidung, wenige Tage vor der HV/Earnings in einen Dividendenzahler zu investieren ist kein gutes Investment.

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